Im Feststellungsverfahren kann nicht nur über den GdB entschieden werden, sondern auch über sogenannte Merkzeichen. Das sind Feststellungen des Anspruchs auf besondere Nachteilsausgleiche. Die für Autisten interessanten Merkzeichen werden hier hier in den Unterkapiteln folgend abgehandelt (rechts im Menü anklicken).
“B” bedeutet, daß man das Recht hat kostenlos eine Begleitperson mit sich zu führen, was in vielen öffentlichen Verkehrsmitteln (die Kriterien sind weiter gefasst als bei der Wertmarke) aber auch in vielen Museen, Schwimmbädern und vergleichbaren Einrichtungen gilt.
Die gesetzliche Definition der Voraussetzungen lautet wie folgt:
“SGB9 § 146 Persönliche Voraussetzungen(2) Zur Mitnahme einer Begleitperson sind schwerbehinderte Menschen berechtigt, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf Hilfe angewiesen sind. Die Feststellung bedeutet nicht, dass die schwerbehinderte Person, wenn sie nicht in Begleitung ist, eine Gefahr für sich oder für andere darstellt.”
Quelle: http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9/__146.html
Die Voraussetzungen werden bei Autisten denen zu “G” gleichen, weswegen ein Autist, der G bekommt auch immer B bekommen sollte. Eine solche Verknüpfung leitet sich aus dem Verweis von Kapitel 32 zu Kapitel 30, 4 und 5 in den AHP ab, wobei die Eingruppierung von Autisten dort nicht klar vorgenommen wurde, weswegen auch die Grenze von 80 GdB für die Erteilung als nicht entscheidend anzusehen sein dürfte, zumal die AHP keinen Gesetzescharakter besitzen:
“AHP Kapitel 32(3)Die Notwendigkeit ständiger Begleitung ist anzunehmen bei
[...]
den in Nummer 30 Absätze 4 und 5 genannten Sehbehinderten, Hörbehinderten,geistig behinderten Menschen und Anfallskranken, bei denen die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr gerechtfertigt ist.”
Quelle: http://www.bmas.bund.de/BMAS/Redaktion/Pdf/Publikationen/anhaltspunkte-f...
“G” steht für gehbehindert und umfasst nicht nur Probleme mit dem Gehen an sich, sondern auch mit der Orientierungsfähigkeit und Hemmnisse wegen empfindlicher Wahrnehmung und Reizüberflutung (inneres psychisches Leiden). Relevant ist auch, daß die Person sich sicher und ohne unzumutbares Leiden im städtischen Straßenverkehr (unabhängig vom eigenen Wohnort) fortbewegen kann. Die in manchen Urteilen vertretene Ansicht, daß die Voraussetzungen erfüllt wären, wenn 2km nicht in 30 Minuten zurückgelegt werden können teilt die Rechtsprechung nicht einheitlich: http://www.anhaltspunkte.de/rspr/urteile/L_13_SB_44.04.htm
Die gesetzliche Definition der Voraussetzungen lautet wie folgt:
“SGB9 § 146 Persönliche Voraussetzungen
(1) In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. [...]”
“Diese Schmerzen werden durch Gehen noch verstärkt, wie Dr. M. in seinem Bericht geschildert hat. Der ärztliche Sachverständigenbeirat beim BMA hat mit Beschluss von März 1987 festgestellt, dass häufige entzündliche Hautveränderungen im Genitalbereich, die zu erheblichen Schmerzen beim Gehen führen, den Nachteilsausgleich “G” rechtfertigen können. Auch bei Bauchdecken- und Narbenbrüchen bei Stoma-Trägern ist der Nachteilsausgleich “G” gerechtfertigt, wenn die Behinderung mit erheblichen Schmerzen beim Gehen verbunden ist (Beirat November 1994). Die bei der Klägerin vorliegende Behinderung ist mit den vorgenannten Behinderungen vergleichbar. Dies folgt auch aus den Aufzeichnungen der Klägerin, die diese dem Gericht überlassen hat und die das Gericht für glaubhaft hält. Danach besteht häufig ein Zustand der es der Klägerin verbietet, ortsübliche Wegstrecken zu Fuß zurückzulegen. Nach Auffassung der Kammer dürfte diese Häufigkeit mindestens 40% der Fälle betreffen, was nach der Rechtsprechung, der sich die Kammer hier anschließt - für den Nachteilsausgleich “G” ausreichend ist (LSG Hessen Az.: L 4 SB 1351/95 ; VdK -Kommentar zu den “Anhaltspunkten” zu Punkt 30 Anm. 10 p).””
“H” bedeutet hilflos. Autisten steht es seit Inkrafttreten der neuen Rechtsgrundlage VersMedV im Jahr 2009 bei GdS ab 50 bis zum 18. Geburtstag gemäß VersMedV Anlage zu §2, Teil A, 5 d) bb) zu, danach wird individuell geprüft:
“Bei tief greifenden Entwicklungsstörungen, die für sich allein einen GdS von mindestens 50 bedingen, und bei anderen gleich schweren, im Kindesalter beginnenden Verhaltens- und emotionalen Störungen mit lang andauernden erheblichen Einordnungsschwierigkeiten ist regelhaft Hilflosigkeit bis zum 18. Lebensjahr anzunehmen.”
“b) Bei autistischen Syndromen sowie anderen emotionalen und psychosozialen Störungen mit langandauernden erheblichen Einordnungsschwierigkeiten ist in der Regel Hilflosigkeit bis zum 16. Lebensjahr - in manchen Fällen auch darüber hinaus - anzunehmen.”
“EStG § 33b Pauschbeträge für behinderte Menschen, Hinterbliebene und Pflegepersonen
(6) [Satz 3+4:] Hilflos im Sinne des Satzes 1 ist eine Person, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder einer Anleitung zu den in Satz 3 genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe
zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist.”
“RF” bedeutet rundfunkgebührenbefreit. Autisten erfüllen die Voraussetzungen für RF, wenn sie wegen Reizüberflutung, daraus entstehendem Leiden und Unfähigkeit der Veranstaltung halbwegs zu folgen nicht in der Lage sind öffentliche Veranstaltungen unter zumutbaren Bedingungen zu besuchen. In den meisten Broschüren steht, daß dies für alle Veranstaltungen gelten muß, was jedoch von der Rechtsprechung nicht geteilt wird und somit eine Falschinformation ist. Aus einem Urteil hierzu, das sinngemäß Aufschluß über die anzulegenden Maßstäbe gibt:
“Insoweit beruft sich der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 02.05.2002 zu Unrecht auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 03.06.1987 - 9a RVs 27/85 -. Zwar hat das Bundessozialgericht in dieser Entscheidung festgestellt, dass es einem Behinderten zuzumuten ist, die Hilfe Dritter bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel in Anspruch zu nehmen und dass daher ein Behinderter der von einer dritten Person in einem Rollstuhl geschoben werden muss, nicht grundsätzlich von öffentlichen Veranstaltungen ausgeschlossen ist. Allerdings darf diese Entscheidung nicht so ausgelegt werden, dass damit praktisch jeder Behinderte noch als fähig angesehen wird, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Beschränkt man nämlich die Feststellung des Bundessozialgerichts allein auf die Tatsache, dass ein Behinderter noch zu einer öffentlichten Veranstaltung hingeschoben werden kann, so ist der Besuch von öffentlichen Veranstaltungen praktisch jedermann möglich, denn nur in seltenen Ausnahmefällen und bei schwersten akuten Erkrankungen wird es nicht möglich sein, einen behinderten Menschen in einen Rollstuhl zu setzen und zu einer öffentlichen Veranstaltung zu transportieren.Entscheidendes Kriterium für die Beurteilung, ob jemand noch an öffentlichen Veranstaltungen in zumutbarer Weise teilnehmen kann, ist daher nicht die Frage, ob dieser Behinderte in einem Rollstuhl zu einer öffentlichen Veranstaltung hin- und zurücktransportiert werden kann, sondern entscheidend kann nur die Frage sein, ob der behinderte Mensch in ähnlichem Umfang von öffentlichen Veranstaltungen ausgeschlossen ist, wie der in der Punkt 33 der “Anhaltspunkte” aufgeführte Personenkreis, dem der Nachteilsausgleich “RF” grundsätzlich, ohne weitere Prüfung, gewährt wird.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass der in Punkt 33 der Anhaltspunkte aufgeführte Kreis von Behinderten auch ohne weiteres in der Lage wäre, mit Hilfe von Begleitpersonen an einer öffentlichen Veranstaltung teilzunehmen. Sowohl hochgradig Sehbehinderte (Punkt 33 (2) a) wie auch Behinderte mit schweren Bewegungsstörungen (Punkt 33 (2) c), können grundsätzlich unproblematisch an verschiedenen öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen. Für Hörgeschädigte (Punkt 33 (2) b) gibt es sogar spezielle öffentliche Veranstaltungen. Gleichwohl schreiben die “Anhaltspunkte” vor, dass ab einem GdB von 50, das entspricht “lediglich” einer beiderseitigen hochgradigen Schwerhörigkeit (gemessen ohne Hörhilfe) der Nachteilsausgleich “RF” in der Regel zu gewähren ist, obwohl keineswegs ersichtlich ist, warum diese Behinderten nicht z.B. an einer Sportveranstaltung oder ähnlichem teilnehmen könnten.”
Quelle: SG Düsseldorf – Urteil vom 23.12.2002 – Az.: S 31 SB 197/02 http://www.anhaltspunkte.de/rspr/urteile/sg_duess%2023.12.02%20197.02.htm
Im übrigen ist bei der Prüfung der Voraussetzungen (Zitat aus dem untern erwähnten Urteil) “zu berücksichtigen, dass im allgemeinen auf einen Rollstuhlfahrer in der Öffentlichkeit mehr Rücksicht genommen wird als auf einen Menschen, der nicht offensichtlich schwer behindert ist.” Das dürfte bei Autisten zweifellos der Fall sein.
Quelle: Bayerisches Landessozialgericht - Urteil vom 30.06.2005 - Az.: L 15 SB 106/04 http://www.anhaltspunkte.de/zeitung/urteile/L_15_SB_106.04.htm